6. Oktober 2022

Wege aus dem Ticket-Dschungel

Interview mit Daniel Ott, krauth technology GmbH - Unternehmen ist IT-TRANS-Aussteller der ersten Stunde

Ticketing, vernetzte Fahrpläne, erleichtertes intermodales Reisen: Die Digitalisierung brachte den öffentlichen Personenverkehr auf eine neue Stufe. Dennoch gibt es noch einiges zu tun, um mehr Menschen für den ÖPV als nachhaltigerer Alternative zu begeistern und gleichzeitig Prozesse für Verkehrsunternehmen, Verbünde und natürlich den Fahrgast zu vereinfachen. In unserer Interviewserie zu langjährigen Ausstellern der IT-TRANS haben wir mit Daniel Ott, Geschäftsleiter der krauth technology GmbH, einem Anbieter von Ticketinglösungen mit Sitz in Eberbach, über die aktuellen Herausforderungen der Branche, gesprochen.

Herr Ott, was sind für Sie die aktuell größten Herausforderungen im ÖPV?

  • Die Verkehrswende ist derzeit in aller Munde – und hier spielt Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Immer mehr Verkehrsverbünde bieten zusätzlich zu den klassischen Tickets, die in Deutschland immer noch sehr beliebt sind, E-Tarife an. Gerade Chipkarten sind hierzulande weit verbreitet. Beim „account-based ticketing“ sind jedoch die skandinavischen Länder und Osteuropa schon deutlich weiter: Dort kann ich nur mit meinem Handy oder mit der Kreditkarte meine Fahrberechtigung erwerben – und muss im Falle einer Kontrolle auch nur diese vorzeigen. Die wohl größte Herausforderung ist immer noch der ÖPV in ländlichen Regionen. Wenn ich als Bahnfahrer beispielsweise den Bus zum Bahnhof nutze, habe ich oft keine guten Verbindungen. Hier wäre es wichtig, den Deutschlandtakt flächendeckend umzusetzen, so dass auch auf dem Land alle 30 Minuten eine Verbindung besteht. Auf der anderen Seite sollten wir viel besser ausgerüstet sein für Nutzer, die mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren. Haben wir hier schon ausreichend Stellplätze? Ist das Radwegenetz gut und sicher ausgebaut?


Welche Entwicklungen und Trends werden den ÖPV Ihrer Ansicht nach langfristig verändern?

  • Das Ticketing ist hier entscheidend: Aktuell ist das häufig für den Fahrgast ein wahrer Dschungel – selbst in großen Städten. Da stehen zwei verschiedene Automaten an der Haltestelle, und im Bus dann zwei verschiedene Entwerter, und ich als Fahrgast weiß erst einmal nicht, welcher der richtige für mich ist. Darüber hinaus sind viele Automaten nicht intuitiv. Als Favoriten finden Sie auf der Oberfläche meist den Einzelfahrschein, aber Sie haben vielleicht ein Fahrrad dabei und wissen erst einmal nicht, ob Sie hierfür ein separates Ticket benötigen. Bei einer weiten Strecke müssen Sie vielleicht den Verkehrsverbund wechseln, beim ersten Verbund ist das Fahrrad inklusive, beim zweiten hingegen nicht. Unsere Oberflächen folgen einer anderen Logik: Wenn ich von A nach B fahren will, interessiert mich als Kunde eigentlich nur, welches Paket das richtige und günstigste für mich ist. Eine entsprechende Umstrukturierung scheitert jedoch oftmals an den unterschiedlichen Beförderungsbedingungen. Nichtsdestotrotz wird uns die Digitalisierung massiv weiterhelfen, das Ticketing zu vereinfachen oder den Kunden Bestpreis-Optionen zu bieten. Dann steige ich als Nutzer einfach zu, checke mich ein, beim Verlassen des Transportmittels wieder aus und am Ende wird einfach abgerechnet. Ein weiterer Trend ist das bargeldlose Bezahlen mit dem Smartphone oder der Kreditkarte. Und das ist längst nicht nur ein Wunsch der Fahrgäste: Auch viele Busfahrer würden gerne auf Kontakt mit Geld und Ticketverkauf verzichten – das kostet gerade bei hohem Fahrgastaufkommen Zeit, in der ich eben nicht fahren kann. krauth technology hat inzwischen ein großes Portfolio an bargeldlosen Lösungen, z.B. kleine Automaten, die direkt in die Busse eingebaut werden, so dass der Fahrgast sein Produkt bargeldlos und ohne Kontakt zum Fahrer kaufen kann.


An welchen Lösungen arbeitet die krauth technology GmbH darüber hinaus?

  • Wir engagieren uns in Standardisierungsmaßnahmen, mit denen sich die Vertriebsoberfläche der einzelnen Verkehrsunternehmen leichter und kosteneffizient gestalten lässt. Die Verkehrsunternehmen haben meist verschiedene Lieferanten für Vertriebstechnik, zusätzlich bilden sie ihre Tarife unterschiedlich ab, mal mit Access, mal mit Excel, mal als pdf. Innerhalb eines Verkehrsverbundes zieht jede Änderung also einen großen Aufwand nach sich, da die Tarife einzeln eingelesen werden müssen. Das hat man auch bei der Einführung des deutschlandweiten 9-Euro-Tickets gesehen – ein Kraftakt, bis alle Hersteller das Produkt auf ihren Geräten und individuellen Systemen im Hintergrund implementiert hatten. Eine einheitliche Importschnittstelle könnte das vereinfachen. Wir haben vor Jahren bereits ein solches Konzept einer herstellerunabhängigen Standardschnittstelle für Tarife entwickelt, im Rahmen der Initiative HUSST, bei der wir Gründungsmitglied sind. Ebenfalls braucht es mehr Herstellerunabhängigkeit, zum Beispiel bei den Eingabemasken, so dass die Verkehrsverbünde in der Lage wären, Änderungen an der Bedienoberfläche eigenständig und in einem neutralen Format durchzuführen, und jeder Hersteller diese dann auslesen könnte. krauth technology ist das erste Unternehmen, das ein solches System, basierend auf dem neuen Standard PKM, für eine Privatbahn in Mitteldeutschland erfolgreich implementieren konnte. Der Kunde ist damit in der Lage, seine Automaten spontan und selbstständig zu konfigurieren, und kann gleichzeitig auch den Automatenhersteller problemlos wechseln oder schnell zusätzliche Geräte von Drittanbietern anbinden.

Welche zukunftsgerichteten Projekte im Bereich Mobilität sind für Sie beispielhaft?

  • Hochinteressant war ein Projekt der eben genannten Privatbahn: Ziel war, die Bedienerführung am Automaten zu vereinfachen. Mit Unterstützung einer Beratungsfirma wurden Workshops mit Standard-ÖPV-Nutzern durchgeführt, vom Berufspendler bis zum Freizeitfahrer. Das Ergebnis dieser Workshops wurde dann als Pseudo-Bedienerführung in einen Musterautomaten integriert, mit dem die verschiedenen Nutzergruppen die Oberfläche testen konnten. Darauf aufbauend hat man eine neue Bedienerführung geschaffen. Und es waren manchmal überraschenderweise Kleinigkeiten, die einen echten Unterschied machten, beispielsweise durch eine Anzeige im „Gothic-Stil“ mit schwarzem Hintergrund und weißer Schrift – ungewohnt, aber dank des höheren Kontrasts ergab sich eine deutlich bessere Lesbarkeit.


Warum nutzen Ihrer Meinung nach viele Menschen öffentliche Verkehrsangebote nur eingeschränkt oder überhaupt nicht?

  • Gerade der Bereich Sicherheit, Sauberkeit und Komfort wird nach wie vor häufig genannt. Viele Menschen tauschen ungern das Privatauto mit allem Komfort gegen einen in die Jahre gekommenen Bus, überfüllt, mit Klappsitzen, mit dem ich dann vielleicht noch zu spät ankomme. Das ist ein Bild in den Köpfen der Menschen, das wir dringend ändern müssen! Denn mittlerweile hat sich einiges gewandelt. Viele Busse sind inzwischen hochmodern und komfortabel, mit Steckdose und WLAN Access Point, sauber und pünktlich. Ein weiterer Punkt sind Zuverlässigkeit und Taktung. Gerade in Sachen Deutschlandtakt sollte die Politik wieder aktiver werden. Vor Corona ein vieldiskutiertes Thema, ist dieser Ausbau dann erst einmal wieder weit nach hinten gerutscht auf der Agenda. Die Sicherheit, dass ich alle 30 Minuten definitiv eine Zugverbindung habe, würde einiges verbessern. Und zuletzt das Preis-Leistungsverhältnis: Das 9-Euro-Ticket ist natürlich eine absolute Ausnahme. Trotzdem muss der ÖPV meiner Ansicht nach bei den Preisen günstiger und flexibler werden. Gerade für Menschen, die im Grenzbereich zwischen Monatskarte und Einzelticket sind. Wer zum Beispiel zweimal pro Woche fährt, für den lohnt sich die Monatskarte noch nicht, aber es gibt keine wirklich attraktiven Alternativen. Flexprodukte sind hier entscheidend.


krauth technology war bereits bei der allerersten IT-TRANS als Aussteller von der Partie. Was macht die Fachmesse für Sie so attraktiv?

  • krauth technology ist eines der ältesten Unternehmen in der ÖPV-Branche, wir produzieren als Systemhaus mit 150 Mitarbeitern an vier Standorten in Deutschland Hardware und Software. Unser Kerngeschäft ist der ÖPV, und in dieser Branche ist die IT-TRANS eben führend. Entscheidend ist vor allem, dass sich die IT-TRANS auf Vertriebstechnik und Digitalisierung spezialisiert. Es geht nicht um Busse und Bahnen im Allgemeinen, sondern wirklich rein um unseren Fachbereich. Durch diese Fokussierung hat die Messe auch genau die richtige Größe – alle relevanten Aussteller und Besucher sind vor Ort, und dennoch ist alles in einem überschaubaren Rahmen. Darüber hinaus schätzen wir die Networking-Möglichkeiten und das gute Fachpublikum.

Weitere spannende Themen, die Sie interessieren könnten:

Presse

Sie benötigen ein ausdrucksvolles Interview, aktuelle Pressefotos oder ein kurzes Statement? Die Pressereferentin Katrin Wagner hilft Ihnen gerne weiter.

PR Manager

Katrin Wagner

Kontakt speichern